Bestens in Szene gesetzt

Während meine ohnehin schon große Vorfreude auf die Paralympics in Tokyo im Sommer weiter steigt, stand für mich kürzlich ein bisschen Nervenkitzel der anderen Art an. Das Mediateam des Österreichischen Paralympischen Commitee bat mich nämlich vor die Kamera …

Video-Dreh im Olympiazentrum

Eigentlich waren es ja gleich mehrere Kameras plus zwei Drohnen, mit denen Sophie Vesely, Fabian Wenninger, Markus Kremser und Matthias Nemetz sowie GEPA-Fotograf Harald Steiner meine Vorbereitung für die Spiele festhielten. Neben den Paratriathleten Günther Matzinger und Flo Brungraber, die an diesem Tag auch vor der Kamera sportelten, wurde mein Training im Olympiazentrum Salzburg-Rif gefilmt – also absolut vertrautes Terrain für mich. Das Olympiazentrum ist schließlich mein Heeresstützpunkt HLSZ 08 und damit gleichzeitig mein Trainingsmittelpunkt und Arbeitsplatz.

Yvonne Marzinke beim Interview

(c) GEPA Pictures Harald Steiner

Radeln mit Drohnen-Begleitung

Im Wiestal durften mich die Drohnen schließlich auch am Rad verfolgen – mal ein bisschen eine andere Konkurrenz quasi. Weil die Straßen ja nicht für den Dreh gesperrt wurden, musste ich schon mehrmals auf und ab radeln, bis alle Szenen für mehrere Kurzfilme für Facebook, Instagram, YouTube und die Website des ÖPC im Kasten waren. Mir ist ja bei solchen Aufnahmen vor allem wichtig, dass ich authentisch wirke. Ich mache das, was ich tue, mit Leidenschaft und es wäre schön, wenn die Zuschauerinnen und Zuschauer das spüren können.

Die Qualifikation für Tokyo und meine Vorbereitung standen auch bei den Interviews im Fokus. Darüber kann ich natürlich ausführlich reden, nur eine Frage des Mediateams hat mich dann doch überrascht: Da ich ja ursprünglich ein „Münchner Kind‘l“ bin, wurden meine „Fremdsprachenkenntnisse“ in Sachen typisch österreichische Ausdrücke abgefragt. Aber keine Sorge, ich habe mich schon sehr gut integriert!

Yvonne Marzinke beim Radtraining

(c) GEPA Pictures Harald Steiner

Yvonne Marzinke mit Maskottchen

(c) GEPA Pictures Harald Steiner

Harte Arbeit am Gleichgewicht

Mein Training läuft aktuell übrigens wirklich toll. Wegen der Corona-Situation war ich zwar nicht im Süden auf Trainingslager, doch ich konnte einen sehr großen Teil des Trainings im Olympiazentrum Salzburg-Rif /Heeressportzentrum HLSZ08 sowie am Berg absolvieren – genauer gesagt auf Zwölferhorn und Katrin.

Erfolgreich dank meines tollen Teams

Yvonne Marzinke mit Straßenrad

(c) GEPA Pictures Harald Steiner

Neben Radtraining Indoor am Cyclus 2 arbeite ich viel in der Kraftkammer sowie an meiner Ganzkörper-Stabilität und meinem Gleichgewicht. Aufgrund der diagonalen Arm-Bein-Behinderung ist hier sehr viel zu tun. Die Herausforderung ist dann auch, das Ganze aufs Rad und die Pedale zu bringen. Für meinen Trainer Gerald Bauer ist das hier eine ziemliche Challenge – und für mich natürlich auch …

Mit Judith Haudum kümmere ich mich zusätzlich um mein Gewichtsmanagement und meine Ernährung. Mentaltraining steht mit Mario Plesser auf meinem dichten Trainingsplan, Physiotherapie mit Gerhard Huber und Massagen mit Alois Ehrenreich. Und dann wäre da noch mein Physiotherapeut in Mondsee: Sebastian Wendt. Um das mal an dieser Stelle zusammenzufassen: Hinter mir steht wirklich ein Top-Team, auf das ich mich echt verlassen kann! Mit dieser Basis von Seiten des Heeressports kann ich einfach perfekt an meinem Ziel arbeiten – ohne sie wäre das für mich nicht möglich. Danke euch!

Wer mehr über mein Team wissen möchte:

Gerald Bauer, Trainer
Judith Haudum, Ernährung
Mario Plesser, Mentaltraining
Gerhard Huber, Physiotherapie
Alois Ehrenreich, Massage
Sebastian Wendt, Physiotherapie

Manchmal muß man einfach durchbeißen

Das gilt nicht nur für so manches Rennen, sondern umso mehr für die „Durststrecken“ dazwischen. Denn aktuell ist für mich Training angesagt. Und Training. Und Training …

Ende März hätte es zur Bahn-WM nach Rio gehen sollen, doch der Wettbewerb wurde abgesagt. „Logisch“ in den aktuellen Zeiten, doch die Weltmeisterschaft wäre natürlich ein sehr wichtiges Event gewesen. Eine Generalprobe für die Paralympics und eine willkommene Abwechslung im Trainingsalltag. Wirklich schade also … Aktuell trainiere ich im Olympiazentrum Rif in Salzburg und in Wien auf der Bahn und mache weiterhin die Berge unsicher – die Vorbereitung für die Paralympics in Tokyo im Sommer 2021.

Motivation spielt da eine Hauptrolle

Vor allem, wenn es gerade keine Wettbewerbe als Zwischenziele gibt. Um sich zu motivieren, braucht es Ziele. Kleine Ziele und größere, um dann auch Erfolgserlebnisse zu haben und die Motivation auf längere Zeit aufrecht zu halten. Das gilt nicht nur für mich, sondern für alle Freizeitsportlerinnen und -sportler ebenso. Sei es das eigene Wohlbefinden zu steigern, fitter zu werden, ein bestimmtes Gewicht zu halten, den Kopf frei zu bekommen. Man muss halt wissen, warum man „durchbeißt“ und was man sich zum Ziel gesetzt hat. Und ich kann die Paralympics ab 24. August 2021 in Tokyo schon vor meinem inneren Auge sehen …

Yvonne Marzinke beim Gewichtheben

(c) Olympiazentrum Salzburg-Rif, Rüdiger Jahnel

Optimale Ausrüstung – super Räder

Gute Ausrüstung kann aber zusätzlich ein echter Booster in Sachen Motivation sein. Ich mag ja alle meine Räder – vielleicht ein kleines bisschen mehr das Wettkampf-Rennrad Specialized S-Works. Das ist ein Traum! Neu in meinem „Team“ ist das Zeitfahrrad Specialized Shiv. Mit dem Bahnrad Avenger bin ich quasi nur einmal auf der Bahn in Wien gefahren und danach ging es gleich zur Weltmeisterschaft nach Kanada – mit wirklich tollen Ergebnissen. Das verbindet natürlich auch. Dass nun alle meine Straßenräder mit Scheibenbremsen ausgestattet sind, ist für mich eine riesige Erleichterung. Das Equipment muss einfach perfekt passen und Michis Radladen aus Kuchl unterstützt mich hier in Zusammenarbeit mit den Profis von Specialized wirklich unglaublich. Großes Danke für die optimale Betreuung an alle an dieser Stelle! Ohne euch wäre das alles für mich gar nicht möglich!

Yvonne Marzinke am Indoor Rad

(c) Olympiazentrum Salzburg-Rif, Rüdiger Jahnel

Die richtigen (Rad-) Schuhe finden …

Für meine Bedürfnisse ist eine elektronische Schaltung am Fahrrad wesentlich, aber das ist ja eigentlich schon Serie. Komplizierter wird es bei mir nur beim Thema Schuhwerk: Ich brauche bei den Radschuhen links die Größe 38 und rechts die Größe 36. Zusätzlich ist dann ein spezieller Aufbau notwendig, um die Beinlängendifferenz von 4 cm auszugleichen. Hier unterstützt mich BOA Fit System Europe ganz großartig, da sie direkten Zugang zu den Radschuh-Herstellern haben und mir deshalb beide Größen organisieren können.

Das Kofferpacken für Tokyo hat übrigens schon begonnen: Eine vorläufige Packliste für den Cargo-Transport – sprich, jene Sachen, die schon einen Monat früher aus Österreich zum Veranstaltungsort der Paralympics 2021 transportiert werden – musste ich schon abgeben. Tokyo, ich bin bereit! So viel zum Thema Motivation.

Ich bin wahnsinnig gerne oben

… aber runter muss man ja auch wieder. Speziell gilt das für mich beim Bergtraining. Da ist es entscheidend, dass ich viele Höhenmeter sammeln und ordentlich Kraft aufbauen kann. Das ist nicht nur wichtig in der Vorbereitung auf die Paralympics in Tokyo 2021, sondern macht auch viel Spaß. Was ich hingegen nicht brauchen kann, sind die Höhenmeter bergab. Die neu eröffnete Zwölferhornseilbahn St. Gilgen hat mir deshalb ein wunderbares Geschenk zur Unterstützung gemacht.

Yvonne Marzinke wandert am Zwölfernhorn

(c) Peter Koren Visuals

Auf die Berge mit Muskelkraft – das ist ganz meins. Bergtraining nimmt einen wichtigen Stellenwert in meinem Trainingsplan ein. Bei mir im Salzkammergut bin ich da ohnehin gut versorgt. Die Seilbahnen-Betreiber unterstützen meinen persönlichen Weg zu den Paralympics nach Tokyo mit Gratis-Jahreskarten, damit ich von den Bergen auch wieder gut ins Tal komme – vielen Dank dafür! Die neu eröffnete, barrierefreie Zwölferhornseilbahn St. Gilgen ebenso wie die Schafbergbahn am Wolfgangsee und die Katrin Seilbahn in Bad Ischl. Die Schafbergbahn ist übrigens die steilste Zahnradbahn Österreichs. Die meisten Menschen bringt sie in 35 Minuten auf den Schafberg – mich eben hinunter. Und egal, ob man die Berge sportlich oder per Seilbahn erobert – zum Beispiel die Katrin Alm auf 1.400 Metern Seehöhe mitten im Naturschutzgebiet –,jeder ist begeistert, (endlich) oben zu sein.

Yvonne Marzinke am Zwölfernhorn beim Interview

(c) Peter Koren Visuals

Vom Schulweg zur Para-Cycling-WM

Der Berg ist vielleicht auch ein ganz gutes Symbol dafür, dass es Schritt für Schritt – oder bei mir eben Tritt für Tritt – weitergeht. Ich habe als Kind Radfahren gelernt und bin immer mit dem Rad in die Schule gefahren. Der Grund dafür war, dass Radfahren mit meiner Behinderung am besten möglich war. Alles weit weg vom „Sport“, geschweige denn vom Leistungssport. Irgendwann kam dann aber ein Mountainbike ins Haus. Und dann ist es Tritt für Tritt weitergegangen. Ich bin mit dem Mountainbike kleinere Touren auf Feldwegen oder einfachen Schotterstraßen gefahren. Bei einem MTB-Hobbyrennen in Saalbach-Hinterglemm wurde ich vom Bayrischen Landeskader entdeckt und gefördert. 2007 konnte ich schließlich bei einer Para-Cycling-Weltmeisterschaft für Deutschland an den Start gehen.

Yvonne Marzinke am Weg zum Interviewtermin

(c) Peter Koren Visuals

Mit Leidenschaft nach Tokyo 2021

Ich glaube, jeder und jede mit einer Beeinträchtigung hat mit Widerständen zu kämpfen. Und das entspricht wohl den schwierigen Passagen, denen wir bei jeder Tour auf einen Berg begegnen. Für mich waren diese immer wieder, dass ich eben nicht alles machen konnte, was die anderen Kinder machen. Das zieht sich durch das ganze Leben. Vieles ist für mich mit mehr Aufwand, mit anderen Wegen und Zugängen und auch mit einer großen Kraftanstrengung verbunden. Dazu kommen die finanzielle Belastung und bei mir noch viele Operationen. Die letzte OP an meinem Fuß war 2017. Oft fehlt mir bei anderen das Verständnis und die Empathie, dass manche Dinge eben nicht „normal“ funktionieren.

Hier habe ich mir über die Jahre vieles selbst hart erarbeitet. Meine Leidenschaft zum Radsport war es mir wert – und sie hat mich gestärkt. Diesen Weg bin ich lange Zeit neben einem normalen Beruf und „nur“ als Hobbysportlerin gegangen. Umso glücklicher bin ich über die Unterstützung, die ich im Laufe meines Lebens und meiner Karriere bekommen habe. Dass sich die Tür zur Profisportlerin 2017 für mich noch öffnete, war für mich einfach ein Traum! Dank des Österreichischen Bundesheeres darf ich diesen Traum nun als Heeressportlerin leben. Und das pusht mich weiter – zum nächsten Ziel, den Paralympics in Tokyo 2021 – und weiter.

Yvonne Marzinke vor der Schafbergbahn Yvonne Marzinke posiert vor der Katrin Seilbahn Werbetafel Nebel auf der Katrin Yvonne Marzinke wandert am Schafberg


RTS Bericht vom 18. Dezember 2020:

Paralympische Spiele und Lebensgenuss
https://www.rts-salzburg.at/clip/paraolympischen-spiele-und-lebensgenuss-interview-mit-profiradsportlerin-yvonne-marzinke/

Die ganze Sendung “Bunter Leben” mit weiteren Beiträgen u.a. über das Zwölferhorn:
https://www.rts-salzburg.at/sendungen/?show=bunter-leben

Was macht eine Radlerin im Homeoffice?

Tja, es hört sich wie der Beginn eines Witzes an, aber lustig war der Lockdown natürlich für niemanden. Ich war erst mal froh, dass ich am Tag als die Grenzen geschlossen wurden, bereits „safe“ und wieder am Weg zurück nach Hause war. Gerade noch im Rahmen meines Vorbereitungsprogramm für die Paralympischen Spiele 2020 in Tokio im Trainings-El-Dorado Südafrika und mit 44 Trainingsstunden, 11.000 Höhenmetern und etwa 850 Trainingskilometern ordentlich unterwegs, wurde mein Bewegungsradius erstmal radikal verkleinert: Quarantäne war angesagt, genau wie für alle anderen, die Mitte März nach Österreich einreisten.

Und auch meine persönlichen Ziele veränderten sich plötzlich: Die Paralympics sind auf 2021 verschoben. Österreich steht quasi still …

… und ich erstmals auch. Im Olympiazentrum durfte Corona-bedingt sowieso niemand trainieren. Es war geschlossen, wie die meisten anderen Bereiche des normalen Lebens auch. Doch wie geht es nun weiter? Mein Training habe ich erstmal ins Homeoffice – meine 50-Quadratmeter-Wohnung in Mondsee – verlegt. Auch mein Equipment musste ich mir erst irgendwie organisieren.

Training „dahoam“

Radsportlerin Yvonne Marzinke im Homeoffice

Am meisten fehlen mir das Olympiazentrum Salzburg und meine Trainingspartner. Sich immer alleine zu motivieren ist wirklich schwer. Der Spaß verleiht einem halt manchmal ungeahnte Kräfte. Während auf Facebook viele Menschen ihren Spaß haben und mit Klopapierrollen und Co. trainieren, schickt mir mein Trainer Gerald Bauer via E-Mail und WhatsApp schicke Trainingspläne und überwachte die Erfolge. Wenn wir neue Übungen ausprobieren, filme ich sie und schickte sie Geri. Er erklärte mir dann, ob ich die Übung richtig mache und ob sie überhaupt sinnvoll ist – so ähnlich geht es wohl gerade vielen Schülerinnen und Schülern im Homeschooling …

Auch die Stabilisations-Kurse des Olympiazentrums finden online statt. Mit Evelyn Freund, die beim Voltigieren 2015 eine EM-Medaille erzielte, wurde jeden Freitag von 8:30 bis 9:30 Uhr live auf ihrem YouTube-Kanal „geturnt“.

Genügend Zeit zum Testen

Radsportlerin Yvonne Marzinke im HomeofficeEine besondere Herausforderung für mich war das Krafttraining, denn ich bin eigentlich auf die Trainingsgeräte in Rif angewiesen. Schließlich wird bei Kraftübungen ohne Geräte ja fast immer mit dem Körpergewicht und dem Gleichgewicht gearbeitet. Das Gleichgewicht kann ich aufgrund meiner Plexus-Lähmung und der Beinverkürzung nicht wirklich halten, deshalb funktioniert das Krafttraining ohne Geräte auch nicht effizient.

Aber jeder Krise hat ja auch ihre positive Seite: Es ist Zeit an meinen Schwächen zu arbeiten und einiges Neues versuchen. So testete ich etwa – zuerst auf der Rolle und sobald es wieder möglich war auf der Straße. Ich probierte etwa neue Einstellungen beim Fahrrad oder verschiedene Schuhhöhen aus. Das Testen ist sehr zeitintensiv, denn, was bei „normalen“ Radfahrern funktioniert, kann sich bei mir und meiner doch sehr komplexen Behinderung negativ auswirken.

Aber … Zeit zum Testen hatte ich jetzt ja genug …

Da ich die Qualifikation für Tokio 2020 bereits in der Tasche hatte, bin ich für die verschobenen Spiele ebenfalls qualifiziert. Aus diesem Grund darf ich seit Ende April zum Glück wieder ins Olympiazentrum Rif und dort pro Woche zwei Mal zwei Stunden in der Kraftkammer trainieren. Unter Corona-Hygieneregeln – Mund-Nasen-Schutz am Gelände, immer mindestens zwei Babyelefanten Abstand zu anderen Athleten und literweise Desinfektionsmittel – versteht sich. So kann ich mein Training wieder sinnvoller gestalten und treffe auch meinen Trainer und andere Athleten wieder. Ein echter Booster für meine Motivation!

Um die Frage vom Beginn also zu beantworten:
Was macht eine Radlerin im Homeoffice?
Sie findet einen Weg.

PS: Das hat sich übrigens auch ORF Sport+ gedacht. Es gab einen tollen Beitrag und ein Interview über „Mein Homeoffice am Mondsee“ in „Ohne Grenzen – Das Behindertensportmagazin ORF Sport + am 17.04.2020 um 19 Uhr.

Der Süden ruft nach mir

Eine gute Planung und eine ausgezeichnete Vorbereitung sind das A und O auf meinem Weg zu den Paralympics in Tokio – was aber nicht heißt, dass man nicht auch manchmal sehr spontan sein muss. So ging es mir jedenfalls heuer in Bezug auf meine Trainingslager. „Wohin und mit wem?“, waren die Fragen. Denn die Salzburger Triathleten aus Rif/SSM (Salzburgs Nachwuchsleistungsmodell) waren schon fleißig auf Fuerteventura, während ich in Kanada die Bahn-Weltmeisterschaft gefahren bin. Der Zug war also quasi schon abgefahren. Und zwei Wochen alleine auf Trainingslager wären eine echte Herausforderung für die Motivation und damit alles andere als mein Traum. Doch Moment, meine ehemalige deutsche Teamkollegin Denise Schindler würde mit einer Kollegin wieder nach Südafrika fliegen … Das wäre doch die Idee, sich ihr anzuschließen! Kurzerhand – Geri, würde das passen?

Mit seinem OK, brach dann mal kurz der Wahnsinn aus, schließlich muss ja nicht ein wenig Urlaubsgepäck organisiert werden, sondern ein bisschen mehr. Essen, Klamotten, Ersatzmaterial, alle Garmin-Geräte, der PC und nicht zu vergessen: alle Ladegeräte und natürlich die Adapter für Südafrikas Steckdosen. Zum Glück gibt es supergute und einfach zu handhabende Radkoffer. Aber wie immer lautet das Motto: Bloß nichts vergessen …

Und wenn man denkt, das unter Kontrolle zu haben, steht man schon vor der nächsten Herausforderung: Und wie viel wiegt mein halbes Leben, das ich eingepackt habe, denn nun? Und werden die am Flughafen alles, was eingecheckt wurden, auch mitnehmen?

Durchatmen

Einen Tag später konnte ich endlich durchatmen und abheben. Ich hatte noch denselben Flug ergattert und so saß ich am 3. März um 19 Uhr in der Maschine von München nach Kapstadt. Allerdings in anderer Begleitung als gedacht. Wir waren dann nicht zu dritt, sondern zu zweit. Denise konnte die Reise leider nicht antreten.

Trainingslager Südafrika 03.03. – 18.03.2020

Yvonne Marzinke auf Trainigslager in Südafrika

Endlich am Ziel! Ja, sie haben alles mitgenommen und das Wichtigste: Es kam auch alles heil an. Juhu! Von Kapstadt ging es mit dem Auto schließlich 40 Minuten nach Stellenbosch in ein Wohnviertel ein wenig außerhalb des Zentrums. Apropos Auto, wir hatten nicht an eine Automatik gedacht … Unser Fehler, denn da in Südafrika Linksverkehr gilt, sind die Autos natürlich auch für unsere Verhältnisse „verkehrt herum“ gebaut. So konnte ich mit meinem lahmen linken Arm nicht Schalten und das bedeutete Autofahren war für mich hinfällig – wieder was gelernt fürs nächste Mal.

Auf meinem Plan stand dann ein richtig straffes Programm, doch die Trainingsbedingungen waren perfekt und wir hatten ein Traumwetter – das letzte große Trainingslager vor Tokyo war eine Wucht! Am Ende konnte ich 44 Stunden, über 11.000 Höhenmeter und rund 850 Kilometer verbuchen und wirklich unglaublicherweise nur einen Patsch’n. Dafür viele Steaks und perfekte Regeneration dank Terrasse und Pool. Das Kap der guten Hoffnung wie auch die Pinguine kenne ich nur von Bildern und Erzählungen von Steffi, denn ich war ja nicht auf Urlaub, sondern zum Arbeiten dort. Das Ziel, ein gutes und umfangreiches Training für Tokyo zu absolvieren, ist auch perfekt gelungen.

Und dann kam Corona

Die letzten drei Tage unseres Aufenthalts waren dann doch geprägt von Corona und einer gewissen Unsicherheit. Wobei man sagen muss, dass in Südafrika noch nichts zu merken war. Das Leben lief noch völlig normal.  Zusätzlich waren wir durch viele Stromausfälle auch oft komplett von allem abgeschnitten. Dennoch war ich dann froh, als ich mit meinem regulär geplanten Flug am 18.3. nach Hause fliegen durfte. Direkt in die große Unsicherheit, wie jetzt alles weitergehen wird …

Yvonne Marzinke auf Trainigslager in Südafrika

Der Berg ruft!

Es ist Samstag, der 22. Februar. Der Wetterbericht verspricht einen wunderschönen Wintertag mit viel Sonne. Hinter mir liegen 5 sehr intensive Trainingstage im Olympiazentrum Rif. Mein Trainer Geri hat mich nicht geschont, im Gegenteil, aber ich will immerhin auch große Rennen gewinnen und keinen Blumentopf. Nach 3 Tagen Kraftkammer (4 h täglich) mit anschließendem Ausdauer-Zirkeltraining und 2 Tagen Indoor Radfahren (je 2 h) plus Rumpf-Stabi und Dehnen, war ich sehr froh, am Trainingsplan eine Bergtour zu entdecken.

Kraftausdauer heißt das bei mir – lang und locker. Da steh ich nun, am Fuße der Katrin, top motiviert und glücklich, nach dieser harten Trainingswoche endlich mal Frischluft und Sonne zu tanken. 950 Höhenmeter und 4 km warten auf mich. Nach einem kurzen Check der Schneelage entscheide ich mich dafür, die Schneeschuhe zu Beginn noch nicht anzuziehen – unten ist es sehr eisig und steil, daher nehme ich zur Sicherheit lieber meine Snowspikes. So kann ich mich voll und ganz auf’s Training konzentrieren und muss nicht bei jedem Schritt fürchten, auszurutschen. Die neuen Schneeschuhe kommen trotzdem mit, weiter oben wird’s wahrscheinlich winterlicher sein.

Yvonne Marzinke Schneeschuhtour Katrin Bad IschlVoll bepackt mit 5 kg Marschgepäck geht’s los, der Puls sollte unter 160 bleiben. Von Beginn an ist der Weg sehr steil, ich gehe am Rand der Skipiste, weil das für mich am einfachsten ist. Ein unebener oder rutschiger Wanderweg machen mein Training noch herausfordernder, weil ich kein so gutes Gleichgewicht habe. Kurz nach dem Start habe ich schon gemerkt, dass ich heute extrem gut drauf bin. Die Strapazen der Woche waren vergessen, die Kraftreserven sind noch gut gefüllt – Herz, was willst Du mehr. Los, auffi auf’n Berg!

Etwas weiter oben kam dann der erwartete Schnee, Zeit für mich, von Snowspikes auf Schneeschuhe umzusteigen. So ganz ohne Winterausrüstung und nur mit Bergschuhen habe ich meine Schwierigkeiten, vor allem dann, wenn der Schnee sehr weich ist und ich oft einsinke. Das kostet mich Unmengen an Kraft, um mit einem Bein da wieder rauszukommen – und die sollte ich mir ja gut einteilen und auch meinen Pulsbereich einhalten.

Yvonne Marzinke auf Schneeschuhtour auf der KatrinWeiter geht es pfeilgerade nach oben, steil und eisig – für mich aber trotzdem eine willkommene Abwechslung zum Trainingsalltag. Nach 1 Std. 58 min war es dann auch geschafft, ich bin bei der Katrin Bergstation angekommen und fühle mich so stark, dass ich sogar noch einen 2. Gipfel anhängen könnte. Aber für heute ist es vorerst genug der Anstrengung, jetzt mal ab in die Hütte zu einer kleinen Stärkung. Linsensuppe steht auf der Tageskarte – perfekt, eine gute Eiweißquelle für mich.

Nach einer kurzen Rast geht’s runter, aber nicht zu Fuß, weil bergab gehen für mich nicht gut möglich ist und auch nicht gesund. Durch meine Beeinträchtigung habe ich ein ganz schlechtes Gleichgewicht, mein Knie würde der Belastung nicht standhalten und auch mein Sprunggelenk würde sich lautstark beschweren. Daher nehme ich den bequemen Weg und lasse mich von der Katrin Seilbahn in 15 min zurück ins Tal shutteln und habe dabei auch noch einen großartigen Blick auf Bad Ischl. Jetzt schnell zum Auto und ab nach Hause. Aber leider nicht auf die Couch, sondern ab auf die Rolle. 60 Minuten Beine locker fahren, sagt der Trainingsplan bzw. sagt Geri. Und danach noch 30 Minuten Dehnen und Blackroll. Aber auch das geht mir an diesem Tag gut von der Hand. Und jetzt bin ich wirklich fertig. Für diese Woche auf jeden Fall. Ab unter die Dusche und ab auf die Couch – Regeneration ist angesagt. Zumindest bis Montag Früh, dann erwartet mich mein neuer Trainingsplan.

Bericht in der Ischler Woche über Yvonne Marzinke

Ischler Woche, 19.02.2020

An dieser Stelle möchte ich danke sagen an die vielen Bergbahnen in der Region, die mich so toll unterstützen, damit ich mein Training mit bestmöglichen Voraussetzungen und vor allem sicher durchführen kann. Dank euch komme ich von jedem Berg auch ohne Hubschrauber wieder sicher ins Tal.

Ein großes Dankeschön für die tolle Unterstützung an die Katrin Seilbahn, die Schafbergbahn, die Zwölferhorn Seilbahn und die Feuerkogel Seilbahn. Bis bald am Berg!