Was macht eine Radlerin im Homeoffice?
Tja, es hört sich wie der Beginn eines Witzes an, aber lustig war der Lockdown natürlich für niemanden. Ich war erst mal froh, dass ich am Tag als die Grenzen geschlossen wurden, bereits „safe“ und wieder am Weg zurück nach Hause war. Gerade noch im Rahmen meines Vorbereitungsprogramm für die Paralympischen Spiele 2020 in Tokio im Trainings-El-Dorado Südafrika und mit 44 Trainingsstunden, 11.000 Höhenmetern und etwa 850 Trainingskilometern ordentlich unterwegs, wurde mein Bewegungsradius erstmal radikal verkleinert: Quarantäne war angesagt, genau wie für alle anderen, die Mitte März nach Österreich einreisten.
Und auch meine persönlichen Ziele veränderten sich plötzlich: Die Paralympics sind auf 2021 verschoben. Österreich steht quasi still …
… und ich erstmals auch. Im Olympiazentrum durfte Corona-bedingt sowieso niemand trainieren. Es war geschlossen, wie die meisten anderen Bereiche des normalen Lebens auch. Doch wie geht es nun weiter? Mein Training habe ich erstmal ins Homeoffice – meine 50-Quadratmeter-Wohnung in Mondsee – verlegt. Auch mein Equipment musste ich mir erst irgendwie organisieren.
Training „dahoam“
Am meisten fehlen mir das Olympiazentrum Salzburg und meine Trainingspartner. Sich immer alleine zu motivieren ist wirklich schwer. Der Spaß verleiht einem halt manchmal ungeahnte Kräfte. Während auf Facebook viele Menschen ihren Spaß haben und mit Klopapierrollen und Co. trainieren, schickt mir mein Trainer Gerald Bauer via E-Mail und WhatsApp schicke Trainingspläne und überwachte die Erfolge. Wenn wir neue Übungen ausprobieren, filme ich sie und schickte sie Geri. Er erklärte mir dann, ob ich die Übung richtig mache und ob sie überhaupt sinnvoll ist – so ähnlich geht es wohl gerade vielen Schülerinnen und Schülern im Homeschooling …
Auch die Stabilisations-Kurse des Olympiazentrums finden online statt. Mit Evelyn Freund, die beim Voltigieren 2015 eine EM-Medaille erzielte, wurde jeden Freitag von 8:30 bis 9:30 Uhr live auf ihrem YouTube-Kanal „geturnt“.
Genügend Zeit zum Testen
Eine besondere Herausforderung für mich war das Krafttraining, denn ich bin eigentlich auf die Trainingsgeräte in Rif angewiesen. Schließlich wird bei Kraftübungen ohne Geräte ja fast immer mit dem Körpergewicht und dem Gleichgewicht gearbeitet. Das Gleichgewicht kann ich aufgrund meiner Plexus-Lähmung und der Beinverkürzung nicht wirklich halten, deshalb funktioniert das Krafttraining ohne Geräte auch nicht effizient.
Aber jeder Krise hat ja auch ihre positive Seite: Es ist Zeit an meinen Schwächen zu arbeiten und einiges Neues versuchen. So testete ich etwa – zuerst auf der Rolle und sobald es wieder möglich war auf der Straße. Ich probierte etwa neue Einstellungen beim Fahrrad oder verschiedene Schuhhöhen aus. Das Testen ist sehr zeitintensiv, denn, was bei „normalen“ Radfahrern funktioniert, kann sich bei mir und meiner doch sehr komplexen Behinderung negativ auswirken.
Aber … Zeit zum Testen hatte ich jetzt ja genug …
Da ich die Qualifikation für Tokio 2020 bereits in der Tasche hatte, bin ich für die verschobenen Spiele ebenfalls qualifiziert. Aus diesem Grund darf ich seit Ende April zum Glück wieder ins Olympiazentrum Rif und dort pro Woche zwei Mal zwei Stunden in der Kraftkammer trainieren. Unter Corona-Hygieneregeln – Mund-Nasen-Schutz am Gelände, immer mindestens zwei Babyelefanten Abstand zu anderen Athleten und literweise Desinfektionsmittel – versteht sich. So kann ich mein Training wieder sinnvoller gestalten und treffe auch meinen Trainer und andere Athleten wieder. Ein echter Booster für meine Motivation!
Um die Frage vom Beginn also zu beantworten:
Was macht eine Radlerin im Homeoffice?
Sie findet einen Weg.
PS: Das hat sich übrigens auch ORF Sport+ gedacht. Es gab einen tollen Beitrag und ein Interview über „Mein Homeoffice am Mondsee“ in „Ohne Grenzen – Das Behindertensportmagazin ORF Sport + am 17.04.2020 um 19 Uhr.